Sonntag, 13. Januar 2013

Kapitel 4, Startprobleme

Mein Leben veränderte sich. Mein Herz wurde stumm. Sehnsüchte wichen einer trüben Existenz, wurden Illusionen. Nach und nach ersetzten kühle Nächte meine Tage und ironischerweise war das größte Problem weiterhin das Geld. Noch immer suchte ich vergebens die Freiheit, so leben zu können, wie ich es wollte. 

Mein Startup hatte Startprobleme. Das Vorhaben vom „Ficken“ zu leben, scheiterte an den zu rar gesäten Zufällen. Allein das Hoffen darauf, dass Frauen wie durch Zauberei den Weg zu mir fanden und mir für eine Nummer ihr Geld vor die Füße warfen, konnte meine Miete nicht bezahlen. Ich musste selbst die Initiative ergreifen. Doch leider ist Mundpropaganda in diesem Gewerbe unverhältnismäßig unterrepräsentiert und einschlägige Anzeigen werden in der Regel nur von Männern beachtet, deren Anfragen ich nie beantworten wollte. Mir blieben in den ersten Monaten nur die von Martha in unregelmäßigen Abständen zugespielten Kontakte zu abenteuerlustigen Hausfrauen, die aus ihrem Familientrott auszubrechen versuchten und Claudia, die bis heute meine treueste Stammkundin bleiben sollte.

Sie hatte sich damit abgefunden, allein zu sein und holte sich in der Regel ein bis zwei Mal im Monat ihre „Nacht der großen Gefühle“, wie sie sie so gerne beschrieb. Ich glaube, Claudia ist es, die in meinem Leben einer Partnerin am nächsten kommt. Ja, sie bezahlt, hat aber gute Konditionen. Manchmal reden wir nur ein paar Stunden und haben zum Abschluss einen Quickie. Das Besondere ist jedoch, dass sie bei mir schlafen darf und ich ohne Gummi arbeite. Es ist schwer zu beschreiben, was Claudia für mich ist, vielleicht ein Notnagel?

Leider reichten diese paar "Geschäftstreffen" und Claudia im Monat nicht aus, um davon auch nur im Ansatz leben zu können, weshalb ich neue Pfade beschreiten musste. Was konnte mir, meiner Seele schon noch passieren? Naiv und im Selbstmitleid zerfließend, dachte ich wirklich, dass in mir alles soweit kaputt war, dass sich nichts weiter verschlimmern konnte. Ich war ein dummer Junge!

Leider behielt einmal mehr das Gesetz des alten Murphy recht. An einem Donnerstagabend klingelte nach drei Wochen ohne eine Kundin Matthias an meiner Tür. Er war ein normaler Typ, blass, hatte kaum sichtbare Muskeln, war aber schlank und mittelmäßig gepflegt, wenn auch haarig! Doch er war groß, größer als ich. Das machte die Sache nicht einfacher. Am Telefon erschien er jedoch nett und irgendwie feminin, sodass ich annahm, uns schon irgendwie durch den Abend bringen zu können. Normal war ich es, der die Stricke in den Händen hielt, aber an diesem Tag veränderte sich meine Welt erneut. Mit meinem Mantra „Sex ist Sex" öffnete ich die Tür. Hätte ich doch bloß auf mein Bauchgefühl gehört! Na ja, Matthias trat ein und hatte schon den Geldumschlag in der Hand. Geil lächelnd legte er diesen auf meine Malm, die links von der Tür stand und zögerte nicht lang, mich, obwohl sich alles in mir weigerte, an sich heranzuziehen. Er küsste mein Gesicht so voller Euphorie und Vorwärtsdrang, dass die Erinnerung an das Gefühl unserer aneinander reibenden Dreitagebärte so einprägsam wurde wie ein Brandmal. Als er dann aber meinen Kopf mit männlichster Dominanz nach unten drückte und mir seinen salzigen Schwanz immer und immer wieder in den Mund rammte, wurde mir klar, wer der Mann in dieser Nacht war. Er bestimmte, wo es langging und er legte mich aufs Kreuz. Und meines habe ich bis heute zu tragen! Woran ich bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht dachte, war, dass mein "bestes Stück" den Dienst verweigern konnte und es natürlich auch prompt tat. Tja, ihm war das egal!

Regel 6: Versuch bei Kerlen gar nicht erst einen Ständer zu kriegen. Die meisten kümmern sich nicht darum. Verschwende also keine Zeit daran, denn um gefickt zu werden, brauchst du keine Erektion!

Rasch lag ich rücklings auf meinem Bett. Er beugte sich über mich, umspielte meinen Mund mit seinen Fingern und steckte zwei davon in ihn hinein, um sie dann angefeuchtet in meiner Hinterpforte zu platzieren. Kurz darauf war ich die Nutte, die genommen wurde. Ich lernte schnell, dass Sex eben nicht gleich Sex ist, wenn man die Rollen tauscht! Ich war wirklich ein dummer, dummer Junge! 

Der physische Schmerz war mir egal. Doch mit jedem Stoß wich meine Würde und mit jedem Stöhnen, das er raus röchelte, weinte ich trockene Tränen. Meine Stärke, der Rest meiner selbst war gestorben. Ich wurde missbraucht. Zumindest fühlte ich mich so. Trotzdem war ich selber schuld. Ich opferte meine Seele ein paar Scheinen. Ich war so unglaublich naiv!

Als er das Gummi abzog und auf mich spritzte, dachte ich, es endlich hinter mir gehabt zu haben. Doch weit gefehlt. Dieser Abend sollte insgesamt fünf Stunden dauern. Matthias zahlte für die ganze Nacht und ich als Nutte musste mich fügen! – Berufsethik – 

Irgendwann, nachdem ich ihm noch zweimal seinen haarigen Schwanz hochblasen musste und er mich gefickt hatte, ging er, wie er kam: Er küsste mich, schaute geil an mir hinunter und verabschiedete sich. Bis heute kann ich nicht erklären, was in mir passierte, als er endlich weg war. Ich weiß nur, dass mich diese Nacht veränderte. Ich saß nackt in einer Ecke und weinte – untypisch für mich – stundenlang. Wie konnte ich nur glauben, dass es keinen Unterschied machte, wer der Kunde ist. Ich war so ein dummer, dummer, naiver Junge! 

Matthias war weg, doch die Melancholie zog ein. Tränen trugen mich in den Schlaf und begrüßten mich am Morgen. Ich aß und sie begleiteten mich. Ich sah fern, nahm jedoch nur verschwommenes Bild wahr. Mein Herz tat weh, so unglaublich weh. Doch sonst fühlte ich nichts… Ich weinte nur... Ob tot oder lebendig, egal. Ich war nur noch da!
Martha, mit der ich sonst täglich telefonierte oder wenigstens schrieb, versuchte mich über eine Woche verteilt zu erreichen. Ständig klopfte sie an meine Wohnungstür und rief meinen Namen. Mein Accounts platzten vor Nachrichten, die ich nicht abrief und meine Telefone vibrierten munter vor sich hin. Ich ignorierte alles, sodass die Leere solang in mir blieb, bis an einem Freitag plötzlich Claudia mitten in meiner Wohnung vor mir stand und mir in Verzweiflung schreiend eine verpasste. Der Schlag traf mich jedoch nicht so hart wie Martha, die zu allem Überfluss schluchzend in meiner Tür stand und von Steve getröstet wurde. Steve war ein Freund von Claudia und legaler Einbrecher, der anscheinend seinen abschätzigen Blick an mir perfektionieren konnte. Er war ein echtes Liebchen!

Es vergingen nur ein paar Minuten, bis sich Martha verhalten lächelnd zu uns gesellte Sie hielt einen geöffneten Geldumschlag in der Hand, meinen. Den hatte ich ganz vergessen! Ich wollte eigentlich nicht, dass die Mädels jemals erfuhren, wieso ich dermaßen versackte. Doch meinen Zustand konnte ich nicht verbergen. Und während Claudia noch die Furie gab, legte Martha beruhigend eine Hand auf ihre Schulter und setzte sich zu mir. Auf dem Umschlag stand „Kuss Matthias“ und Martha wusste Bescheid. Es ist nicht allzu lange her, dass wir beide am Telefon ausgiebig das Thema der Gewinnmaximierung besprochen hatten und schon damals riet sie mir von dieser Grenzüberschreitung ab. In ihren Augen war ich zu labil, diesen Schritt ohne Folgen zu überstehen. Ich glaubte ihr nicht. Aber wie sagt man so schön: „Lernen durch Schmerzen“, auch wenn es die seelischen sind. Ich habe zumindest eines gelernt: „Wenn dich das Leben fickt, lehn dich eben nicht zurück und genieß es, sondern stoß es fort und wehre dich, solange du noch kannst!“

Auf die Beine brachte mich aber doch Claudia, die ihre Sozialarbeiterfähigkeiten uneingeschränkt an mir unter Beweis stellen konnte. So gingen wir alle gemeinsam in den Zoo. Doch Martha passte das gar nicht, da sie – ob man es glauben mag oder nicht – eine Art militante Tierschutz-Nutte darstellte und Nuttenstempel à la Leo oder Pelz bei ihr nicht zu finden waren. Für Martha glich ein Zoo einem Tier-KZ. Sie meckerte schon am Eingang los, dass über diesem noch die Worte „Süß-Sein macht frei“ fehlen und so zeterte sie weiter. Doch auch Martha musste bei den Kapuzinern lachen und fand die Pinguine grandios. Die Doppelmoral lebe hoch!

Ich vergaß für ein paar Stunden, was geschehen war und sah, dass es auch in trüben Zeiten Situationen gibt, die einem die Freude am Leben zeigen. Trotzdem wurde in den nächsten Tagen das Joch um meinen Hals enger und immer schwerer. Das Geldproblem blieb und wuchs, auch wenn es kurzweilig durch ein sattes Trinkgeld von Claudia leichter zu stemmen war. Sie gab mir vier Mal so viel, wie es mein Standardtarif für eine Nacht ohne gute Konditionen veranschlagte! Wahrscheinlich hätte sie es mir auch ohne einen unangenehmen Quickie gegeben. Doch sie kannte meinen Stolz, wo auch immer der noch herkam. 

Für die Zukunft sah ich jedoch schwarz. Männer waren keine Option und so… so stand ich wieder am Anfang – gebrochener als jemals zuvor.

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