Sonntag, 30. Dezember 2012

Kapitel 3, Der Anfang

Mit dem Geld von Barbara waren zumindest zwei Monate gerettet, meine Seele jedoch angeschlagen. – C´est la vie –
 
Nun bestand meine Aufgabe wieder darin – neben Lernen und Schreiben – einen neuen Job zu finden. Doch wo sollte ich hin, wenn ich doch scheinbar schon überall war. Ich konnte keine Arbeit auftreiben.

Die 1000€ waren schlussendlich aufgebraucht, die Miete schon zwei Wochen überfällig und etwas zu essen, wäre toll gewesen. Die Probleme häuften sich. Da kam mir der Geburtstag von Isabell, einer lockeren Kommilitonin, gerade recht. Wir waren zu dritt. Sie gab erst eine Runde Burger bei BK aus und zog dann auf ihre Rechnung mit uns um die Häuser. Kneipe für Kneipe frönten wir dem Luxus des alkoholischen Überflusses und nach einer Privatparty auf Grasbasis in einer Studi-WG wollten wir noch ein wenig im Park entspannen. Leider ist Isabell beim Rumzappeln gestürzt und so endete ihre Nacht abrupt. Sie schlug sich am Betonboden das Kinn auf. Es blutete schrecklich. Ich kann Blut nicht sehen. Doch Ralph, ihr Freund, schaltete sofort auf den sortierten Rettungsmodus, rief ein Taxi und brachte sie zur Notaufnahme. Doch anstatt nach Hause zu gehen – ich wohnte nicht unweit – blieb ich im Park und betrachtete die Welt bei Nacht und sah Martha. Sie kam aus einer Gasse, weinte und schrie laut und setzte sich auf eine Bordsteinkante zwischen zwei Autos. Sie war keine 30 Jahre alt und leicht pummlig. Ihr blondes, lockiges Haar lag auf ihren Schultern und sie übte auf mich eine unbekannte Vertrautheit aus. Sie war meine Seelenverwandte. Ich wusste es nur noch nicht!

Doch wären da nicht ihre Tränen gewesen, hätte ich sie vielleicht nie angesprochen. So ging ich mit aktiviertem Helfersyndrom zu ihr und sprach sie mit ruhigem und freundlichem Ton an: „Brauchst wen zum Reden, was?“ und so ruhig und nett ich auch fragte, so überraschend war ihre Antwort: "Verpiss dich!" Lauter und deutlicher hätte diese nicht ausfallen können. Gerade als ich ihrem Wunsch – leicht angepisst – nachgeben wollte, sah ich Blut in ihrem Gesicht. Sie brauchte wirklich Hilfe. Ich setzte mich neben sie und schwieg, sodass es keine 10 Minuten dauerte, bis sie erneut bitterlich zu weinen anfing und endlich mit mir sprach. Martha war Nutte und wurde damals ca. zwei Stunden vor ihrem Erscheinen in der Gasse missbraucht! 

Je länger sie sprach, desto mehr Spuren sah ich. Ihr stereotyper, pinker und viel zu kurzer Rock war dreckig, ihr rechtes Ohrläppchen eingerissen, ihre Handgelenke blau, ihre Lippe geschwollen und aufgeplatzt und nahezu jede sichtbare Hautstelle war von Kratzern übersät. „Arbeiten auf eigene Kasse ist gefährlich“, sagte sie. „Berufsrisiko!“ 

Sie erzählte mir von zwei Typen, wohl unter zwanzig. Sie haben sie auf ihrem Arbeitshandy angerufen und vereinbarten prompt einen Ort und Preis. Marthas Nummer war in einschlägigen Zeitungen zu finden und so sollten sie sich alle – wie immer – bei ihr treffen. Martha arbeitete von Zuhause und war recht günstig. Für hundert Euro pro Kopf hätten die beiden alles haben können, was sie wollten, sofern es nicht länger als eine Stunde dauerte und mit Gummi geschah. Doch daran dachten die Zwei nicht. So klingelte es an ihrer Tür und anstatt Vorkasse bekam sie einen Schlag ins Gesicht. Sie fiel zu Boden und beide Typen über sie her. Erst steckte ihr der eine etwas in den Mund und hielt sie fest, sodass der andere ihr den Rock hochreißen, sich in die Hand spucken, ihr zwischen die Schenkel greifen und sofort damit beginnen konnte, sie zu missbrauchen. Ohne auf ihre Schreie zu achten, machte er weiter, bis er seinen Druck entlud. Rollentausch und sofort fing der andere an. Doch anstatt im Dreck des Vorgängers zu bohren, wollte er sie nicht nur ficken, nein. Er holte erst irgendwas aus seiner Hosentasche und rammte es ihr ohne Gnade mehrmals in den Arsch. Er wollte sie erst noch weiter erniedrigen, um sich dann an ihr zu befriedigen. Irgendwann waren beide einfach weg und ließen Martha missbraucht, bespuckt und körperlich sowie seelisch verletzt im Flur ihres „Arbeitsplatzes“ liegen. Zur Polizei wollte sie nicht und nicht einmal der Notarzt konnte sie überzeugen, in die Klinik zu gehen. – Hurenlogik –

Reden brachte keinen Erfolg. Ihre Wohnung wollte sie vorerst nicht mehr sehen und so nahm ich sie ohne Weiteres mit zu mir. Doch schon damals kam mir an ihrer Geschichte etwas seltsam vor. Ich wusste nur noch nicht was…

Martha blieb drei Wochen. Wir hatten eine schöne Zeit und taten uns gut. Sex hatten wir jedoch nicht. Erstens waren ihre Wunden noch nicht völlig ausgeheilt und zweitens konnte man bei uns beiden von einem gespaltenen Verhältnis zur Sexualität sprechen. Bis heute ist es mir ein Rätsel, wie Martha den ganzen Mist, der ihr passierte, vergessen und einfach so weiter machen konnte. Ich erzählte ihr von Barbara und ihre Reaktion war als Mischung aus lautem Lachen ihres Mundes und Mitleid ihrer Augen zu verstehen. Auch IHR Branchenauftakt verlief ähnlich.

Damals war Martha ebenso Studentin und wurde auf einer WG-Party plump mit den Worten: „Hey Süße, ich mag Mädels mit großen Argumenten?" angesprochen. Sie, total angewidert, versuchte ihn abzuwimmeln, aber so leicht war er nicht loszuwerden. Ständig kam er erneut angehechelt, machte ihr, wenn auch weiter plump, Komplimente und schenkte ihr all seine Aufmerksamkeit. Bis dahin, sagte Martha, war ihr nicht bewusst, dass sie eine solche Wirkung auf Männer haben konnte. Und ja, der Typ war weiter aufdringlich, aber immer auch nett. Sie gab also irgendwann nach und trank etwas mit ihm, vielleicht auch etwas mehr. Geredet haben sie jedoch nicht viel. Martha wollte sich einfach einen ansaufen und den Typen ficken. Sie wollte ihn so ficken, wie er es sich nie hätte träumen lassen. So landeten beide nach ein paar Drinks auf dem Klo. „Ich fickte ihm das Hirn raus, es tat so gut“, war ihr sichtlich stolzer Kommentar und trotzdem klang ihre Stimme nicht fröhlich. Dann kam es. Kaum spritzte er ins Gummi, zog er auch schon seinen Schwanz aus ihr und sein Porte­mon­naie aus seiner Jackentasche, sodass er zuerst das Gummi und dann fünfzig Euro vor ihre Füße auf den widerlichen Boden direkt vors Klo warf. Sein Abschied lautete: „Warst ne echt geile Hure.“ Etwas starb in ihr und ich verstand sie nur zu gut.

Bis heute frage ich mich, was Leute dazu treibt, nach einem beiderseitig geilen und absolut gewollten Fick Geld zu ziehen und einfach zu gehen. Ist es vielleicht Schamgefühl oder die Angst, sich mit dem anderen auseinander setzen zu müssen? Wer weiß das schon…

Die Zeit mit Martha verging schnell. Wir gingen gemeinsam einkaufen, kochten, sahen fern und redeten viel. Es war toll. Sie erkannte früh, dass ich einen finanziellen Engpass hatte und half mir etwas aus, sodass ich für ein paar Tage abschalten konnte. Aber schon nach kurzer Zeit fragte sie mich – trotz ihrer ganzen schrecklichen Erfahrungen – ob ich es mir nicht auch vorstellen könnte, als Call-Boy mein Geld zu verdienen. „Call-Boys verdienen wirklich gut und solang du nicht meine Fehler machst und dich ohne Vorbereitung an die Tür wagst, ist es auch nicht ganz so schlimm!", so ihre Worte. „Nicht ganz so schlimm!“ Wie das schon klingt.

Sie empfand mich als einfühlsamen Kuschellover, den viele Frauen im mittleren Alter vermissen und sah meine Stärke darin, dass ich stets zu wissen schien, was diese in bestimmten Momenten brauchten. Doch wer kann sich da schon sicher sein? Tja, kaum sprach sie dieses Thema locker an, schrillte es auch schon wieder in meinem Kopf: „Nutte!“ Doch Geld ist mächtig und das Joch wurde schwerer und schwerer, schier unüberwindbar. Also nickte ich Martha voller Unsicherheit und kaum sichtbar zu. Doch sie verstand und erzählte mir von einer Straßensozialarbeiterin namens Claudia.

Claudia war klein, wirklich klein – vielleicht 1,60m. Sie war normal gebaut, hatte ebenso wie Martha blondes Haar und war Ende 30. Ihr Mann, Ex-Mann hat sie elf Jahre lang mit seiner Sekretärin betrogen. Martha und sie schütteten sich wohl ab und an gegenseitig ihre Herzen aus, weshalb Martha auch erfuhr, dass Claudia keine Lust mehr darauf hatte, sich erneut zu binden. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, doch Martha rief Claudia – ohne mich zu fragen – an und erzählte ihr von ihrem Vorfall. Heute denke ich, dass dies nur ein Vorwand war.

Claudia kam natürlich prompt zu meiner Wohnung, trat ein und diskutierte stundenlang mit Martha darüber, dass sie doch zur Polizei gehen sollte. Dies lehnte sie jedoch stets lächelnd ab und wiederholte ihre Floskeln: „Nutte auf eigene Tasche. Berufsrisiko!“

Irgendwann wechselten sie das Thema, tranken ein paar Bier und verbannten mich zum Teeaufkochen in die Küche. Ich sah nur noch, wie Martha Claudia ins Ohr flüsterte, ihr etwas gab und daraufhin zu mir in die Küche kam. Mit einem Klaps auf den Po sagte sie nur: „Das ist deine Chance, Tiger! Zuhören kannst du, nett und zuvorkommend bist du und nun musst du nur noch ein echter Kerl sein“. Kaum hatte sie ausgesprochen, ging sie und ließ mich mit Claudia allein. Ich war verwirrt!

Trotzdem brachte ich ihr den Tee und bevor ich alles richtig realisieren konnte, bat sie mich darum, mich zu ihr zu setzen und schüttete mir ihr Herz aus. Sie schwärmte unheimlich von ihrem Ex und spuckte gleichzeitig verbal Feuer. Sie und ihr Herz waren zerrissen. Er betrog sie jahrelang. Doch bevor ich ihr etwas Aufbauendes sagen konnte, öffnete sie ohne Ankündigung meine Jeans und fing an, mir einen zu blasen. Ihre Lippen, ihre Zunge fühlten sich fantastisch an und trotzdem hätte sie das nicht gemusst. Es machte die Sache jedoch einfacher. Kaum war ich bereit, gab sie mir ein Gummi, zog ihren Slip unter ihrem Rock hervor, drehte sich weg von mir und beugte sich vor. Ich nahm sie direkt und versuchte ihr eine schöne Zeit zu bereiten. Mir war die Situation sehr unangenehm und so hatte ich stark damit zu tun, zu kommen.

Regel 5: Vergiss nicht, dass es nur um die Dame geht. Doch spritzt du nicht ab, sucht sie den Fehler bei sich und das darf auf keinen Fall passieren.

Ich spritzte also ab, doch wirklich gut fühlte ich mich nicht. Wir waren einsam zu zweit. Kurz darauf zog sich Claudia an und streichelte mir mit breitem Lächeln zum Abschied das Haar. Sie ging und sagte kein Wort. Sie legte einzig einen Umschlag auf meine Malm-Kommode, machte sich in den darüber befindlichen Spiegel blickend straßentauglich und war weg. Ich war jedoch um 100 Euro reicher. Ob das Marthas Geld war?

Aus heutiger Sicht war dies für mich mein erstes Mal. Aber danken, danken konnte ich Martha dafür nicht. Trotzdem wurde sie zur wichtigsten Person in meinem Leben und ich, ich wurde tatsächlich zur Nutte!